
Schwierige Frage – welcher Job ist geeignet bei Fibromyalgie
Hey. Vielleicht bist du selbst betroffen, vielleicht beschäftigt dich die Frage aber auch für eine andere Person. Es ist in der Tat eine sehr schwierige, und sehr drängende Frage: Welcher Job ist geeignet? Was können wir Fibros tun, um unser Geld zu verdienen? Was ist möglich, wenn man der unberechenbaren Schmerzkrake lebt, die eigentlich das halbe Leben auffrisst?
Inhaltsverzeichnis
Was die Berufsausübung mit Fibromyalgie schwierig macht
Wir alle kämpfen mit einer Reihe an individuellen „Dauer-Zipperlein“, die einen schon allein extrem einschränken können, plus jeder Menge Überraschungseiern. Immer mal wieder ploppt irgendwas völlig Neues auf, das man überhaupt noch gar nicht gekannt hat.
Noch viel weniger kann man vorhersehen, wie die Tage so werden. Manchmal wacht man auf, und fühlt sich einfach nur völlig zerstört und gerädert, und es funktioniert eigentlich gar nichts.
Die Leistungsfähigkeit ist generell eingeschränkt, und zwar in sehr unterschiedlichem Maße abhängig von der Schwere und der Art der Beschwerden. Mit stark ausgeprägten Sehstörungen, ständigem Harndrang oder bei starker Betroffenheit der Hände kann jede Art von Tätigkeit schwer sein.
Die Aufgabe ist also, einen Job bzw. eine Tätigkeit zu finden, die sowohl auf die generellen Einschränkungen und die enorme Wechselhaftigkeit der Fibromyalgie eingehen, als auch zu den individuellen Hauptbeschwerden passt.
Arbeiten mit Fibromyalgie – worauf kommt es an?
Eine Umfrage zum Thema
Ich habe eine amerikanische Studie1 gefunden, die sich mit der Frage nach förderlichen und schädlcihen Bedingungen am Arbeitsplatz beschäftigt. Sie ist bereits älter (von 1994), aber immerhin wurden hier 321 Betroffene per Fragebogen befragt. Und vielleicht kann auch das ein paar wertvolle Hinweise geben.
Als Tätigkeiten, die die Symptome der Fibromyalgie verschlimmern, wurden von den Befragten dabei angegeben:
- Computerarbeit oder Tippen
- langes Sitzen
- langes Stehen und Gehen
- Arbeiten unter Stress
- schweres Heben und Bücken
- lang andauernde, sich wiederholende Tätigkeiten,
- das Verharren in einer bestimmten Position über einen längeren Zeitraum hinweg
Die Symptome der Fibromyalgie nicht zu verschlimmern schienen hingegen:
- Gehen
- variable leichte sitzende Arbeit
- Unterrichten
- leichte Schreibtischarbeit
- Telefonarbeit
Als Zusammenfassung heißt es, dass leichte sitzende Tätigkeiten mit abwechslungsreichen Aufgaben und wechselnden Positionen am besten vertragen zu werden scheinen.
Als Beispiel: Meine Einschränkungen in Sachen Berufsausübung
Ich persönlich würde sagen, ich habe eher eine leichtere bis mittlere Form von Fibromyalgie, aber schon da gibt es enorm viele Dinge, auf die man Rücksicht nehmen muss.
Ich habe große Schwierigkeiten mit allen Tätigkeiten, die auch nur ein wenig Kraft erfordern oder sich öfter als zehn Mal wiederholen. Das fängt beim Reiben von Möhren, beim Kartoffelschälen oder Schneiden mit einer Schere schon an.
Meine Haupteinschränkung ist, dass ich nicht lange stehen oder gehen kann, ohne dass der Rücken blockiert. Dadurch sind alle Tätigkeiten, die man auf zwei Beinen erledigt, sehr schwierig für mich: Staubsaugen, Abwaschen, irgendwo herumstehen … Das bedeutet im Umkehrschluss, Sitzen ist für mich noch am Besten. Wichtig ist aber, dass ich aufstehen kann, und mich bewegen oder Pausen/Übungen machen, wenn es notwendig ist.
Manchmal habe ich höllisches Kopfweh, oder die Augen schmerzen extrem. Ich bin relativ stabil, aber habe trotzdem immer mal wieder diese Morgende, wo man einfach nur denkt, gott, war ich schlafwandeln und bin irgendwo unter die Räder gekommen? Freie Zeiteinteilung/Flexibilität und die Arbeit im Homeoffice helfen da sehr. Und natürlich ein reduzierter Stundenumfang; 40 Stunden pro Woche erscheinen mir unvorstellbar.
Zusammenfassung – was ist wichtig
- Keine starren, wiederholenden Bewegungsabläufe
- Keine starke körperliche Anstrengung wie schweres Heben
- Möglichst wenig einseitige Belastung
- Möglichkeit zur flexiblen Zeiteinteilung
- Reduzierter Stundenumfang
- Keine sehr stressigen Tätigkeiten
- Keine großen Anforderungen an Konzentration usw.
Welche Tätigkeiten sind geeignet?
Ich sammle mal ein paar Ideen, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit.
Insbesondere: Homeoffice-Jobs?
Zuallererst denke ich persönlich an etwas, das man im Homeoffice ausüben kann. Klar, manchem fällt vielleicht die Decke auf den Kopf. Aber für mich ist die Möglichkeit, flexibel zu sein einfach wahnsinnig wichtig. Also ich stehe einfach auf, wenn nötig, und mache ein bisschen Gymnastik. Oder tue mir eine Wärmflasche hinter den Rücken. Das sähe vielleicht blöd aus in einer Firma …
Das Gute ist ja, dass es mittlerweile immer mehr Berufe und Firmen gibt, in denen die Arbeit zuhause möglich wird. Vielleicht kann man auch verhandeln und wenigstens ein paar Tage die Woche Home-Office rausschlagen. Neben Bürotätigkeiten und IT fallen mir hier auch Kundenservice, Nachhilfe oder überhaupt digitale Lernangebote ein. Hier gibt es eine Aufzählung von Möglichkeiten.
Bürojobs am Computer oder Telefon
Ansonsten, ja, denke ich aus meiner persönlichen Erfahrung bzw. meinem „Schmerzprofil“ und der Studie oben heraus, dass leichte und abwechslungsreiche Bürotätigkeit eine Möglichkeit sein könnte für Viele. Arbeit im Sekretariat, als Telefonist:in, Assistenz … Verwaltung, Buchhaltung, Abrechnung … Was mir auch noch einfällt, wäre so etwas wie eine Arbeit an der Rezeption oder am Empfang. Alle Arten von Branchen benötigen ja Bürokräfte; Schulen, Verbände, Betriebe .. Vielleicht lässt sich sogar aus dem eigenen Beruf wechseln und in der derselben Branche etwas finden.
Eventuell kommt auch so etwas wie Callcenter in Frage, wenn es in einer ruhigen Umgebung ist und ohne Druck. Wichtig ist denke ich insgesamt, dass der Zeitdruck nicht zu hoch ist, keine Hektik da ist.
Beratende oder freiberufliche Tätigkeiten
Ein großes Feld bieten beratende Tätigkeiten. Vielleicht lässt sich dein angesammeltes eigenes Wissen ummünzen in eine Beratung statt einem „Job mittendrin“? Auch hier können sowohl Verbände als auch Einzelpersonen oder Unternehmen angesprochen werden. Es gibt Beratung in gesundheitlichen und erzieherischen Fragen, für Unternehmen, in Sachen Marketing, Finanzen, Nachhaltigkeit, Politik; im Sozialen Bereich Fallberatung und Supervision ..
Freiberuflich bzw.. Selbständig zu arbeiten bietet den Vorteil einer großen Flexibilität. Das ist das, was ich mache, und die freie Zeiteinteilung kommt mir sehr entgegen. Aber ja, auf der anderen Seite hat man natürlich auch sehr viel Druck. Sehr viel Verantwortung, und sehr viel Unsicherheit. Das muss man abwägen für sich.
Kreative Berufe – angestellt oder freiberuflich
Kreative Berufe haben den Vorteil, dass sie sehr erfüllend sein können. Und dass man sie meist von zuhause ausüben und sich ebenfalls die Zeit frei einteilen kann. In den Sinn kommen mir hier zum Beispiel Grafikdesign, Webdesign, Social Media oder Content Management, Texter:in, Illustration … in den Sinn. Alles, was mit Schreiben, Malen, Ideenentwickeln zu tun hat, wenn einem das liegt.
Soziale Berufe mit Einschränkungen?
Ich selbst komme aus dem sozialen Bereich und könnte mir eine Arbeit dort nicht mehr vorstellen. Die Bedingungen sind oft schwierig, der Personalmangel extrem, die emotionale Belastung hoch. Aber nicht alle Jobs in diesem Bereich sind gleich. Man kann mit Kindern arbeiten oder mit Erwachsenen, im Schichtdienst aber auch zu üblichen Arbeitszeiten. Ein Vorteil kann die große Abwechslung sein, gerade Kinder sorgen auch für viel Bewegung. Ich denke, es kommt sehr auf die speziellen Bedingungen und auch hier, auf den passenden zeitlichen Umfang an.
In jedem Falle wichtig: Ergonomie!
Entscheidend ist für uns Fibros meiner Meinung nach, dass wir, egal was wir machen, auf einen ergonomischen Arbeitsplatz achten. Also natürlich im Büro, aber auch an anderen Arbeitsplätzen. Alles sollte so eingerichtet sein, dass die Abläufe möglichst kraftschonend und ausgleichend erfolgen können. Man sollte auf keinen Fall länger in eine schiefe oder gekrümmte oder anstrengende Körperhaltung gezwungen sein.
Schonend für Rücken, Nacken und Hände
Am Computerarbeitsplatz geht es dabei nicht nur um einen größeren Bildschirm mit der richtigen Einstellung, dem richtigen Abstand usw. und einen Stuhl mit der richtigen Höhe. Sondern auch für die Arme und Hände kann man viel machen. Ich zum Beispiel hatte häufig Schmerzen im rechten Arm und bis in die Hand und die Finger hinein. Besonders ein häufiges Benutzen der Maus war für mich eine starke Belastung. Der ganze Unterarm fühlte sich wie geschlossen an, tat weh und rief „Ich will das nicht mehr!“. Ich habe eine ergonomische Tastatur sowie eine ergonomische Maus besorgt. Beide ermöglichen, dass Arm und Hand nicht dauerhaft unnatürlich gedreht werden, sondern entspannt aufliegen können. Seitdem ist es viel besser.


Reha, Umschulung, Weiterbildung
Die nächste Frage ist dann, wie kommt man zum geeigneten Job? Falls noch eine Arbeitsstelle vorhanden ist und dort auch eine positive Umgebung herrscht, kann man schauen, ob man beim selben Arbeitgeber eine neue Tätigkeit finden kann. Oder die alte Tätigkeit anpassen, also ergonomische Maßnahmen ergreifen oder den Schwerpunkt verschieben.
Ich hatte ein Burnout als „Auslöser“ oder Vorstufe für die Fibromyalgie, und habe es leider nicht geschafft, mit meinem damaligen Arbeitgeber eine Lösung zu finden. Ich wollte unter keinen Umständen in die Kita zurück, sondern bat darum, Bürotätigkeiten oder Ähnliches machen zu können. Sie aber hatten einen extremen Mangel an Erzieher:innen – und wollten unbedingt, dass ich in eine Kita gehe. So kamen wir nicht mehr zusammen, und mein befristeter Vertrag lief schließlich aus.
Mein Weg: Coaching und Weiterbildung im Anschluss
An dieser Stelle war ich völlig ohne berufliche Perspektive. Ich war ausgesteuert aus der Krankschreibung, und arbeitslos. Ich hatte noch keine Fibromyalgie-Diagnose, sondern war der Meinung, ich heile noch von meinem Burnout. Kämpfte aber schon sehr stark mit Schmerzen, ohne diese zu realisieren.
Ich bat die Arbeitsagentur um ein Jobcoaching, um Orientierung zu finden. Dieses Coaching war extrem gut. Meine Coachin lockte meine alten Lieblingsbeschäftigungen und viele vergessene Fähigkeiten und Interessen hervor. Aber sie hielt mir auch den Spiegel vor und machte mir in aller Konsequenz klar, wo ich gesundheitlich stand und was ich alles nicht mehr tun konnte.
Sie stieß den Prozess an, der mich zu weiteren Untersuchungen und schließlich zur Diagnose führte. Zum Amtsarzt der Arbeitsagentur, der feststellte, dass ich arbeitsfähig sei, aber nur leichte Tätigkeiten ausführen konnte.
Mit dieser Coachin erarbeitete ich Ideen. Nach einigem Kampf schaffte ich es sogar, meine angestrebte Weiterbildung bei der Arbeitsagentur durchzusetzen. Vor der Weiterbildung in Vollzeit mit Beginn um 8 Uhr morgens (!) hatte ich extreme Angst, aber ich schaffte es, mich anzupassen und in den Rhythmus zu finden. Die Weiterbildung war online, ich gemütlich zuhause, und das half enorm. Mich interessierte das Thema, und insgesamt gab es mir sehr großen Aufwind, etwas lernen zu dürfen und wieder eine Perspektive zu haben!
Wenn du mehr über mein Leben mit der Schmerzkrake erfahren möchtest, kannst du es in meinem Erfahrungsbericht Fibromyalgie nachlesen.
Andere Möglichkeit: Reha und Umschulung
Ein weiterer möglicher Weg ist, mithilfe des Hautarztes oder Rheumatologen eine Reha zu beantragen. Hier wird auch eine Einschätzung erarbeitet, inwiefern jemand arbeitsfähig ist. Für wieviele Stunden und welche Tätigkeiten. Mit dieser offiziellen Empfehlung besteht die Möglichkeit, dass Träger der beruflichen Rehabilitation eine Umschulung finanzieren. Dazu gibt es Infos zum Beispiel hier: Fibromyalgie als Umschulungsgrund2.
Fazit – welcher Job kommt in Frage bei Fibromyalgie
Ich habe für mich derzeit eine ganz gute Lösung gefunden. Eine selbständige Tätigkeit zuhause, bei der ich sitze, aber aufstehen kann. Fast vollständig freie Zeiteinteilung bei verringertem Stundenumfang.
Aber welcher Job ist geeignet für dich oder die Person in deiner Nähe? Ich denke, die Frage, die wir uns stellen müssen, ist die nach den stärksten und häufigsten Einschränkungen. Die sind individuell sehr verschieden und es kann eine große Schwierigkeit sein, wirklich ehrlich zu sein. Mir fiel es anfangs sehr schwer, zu akzeptieren, was alles nicht möglich war.
Sehr wichtig ist aber auch die: Was bereitet dir Freude? Was kannst du gut und machst du gern? Meine Coachin beharrte damals darauf: Du brauchst etwas, das dir auch angenehm ist. Ich bin ihr heute sehr dankbar, denn an einem Punkt der Resignation hätte ich auch egal was gemacht. Sie aber hat mit mir nach vergessenen Interessen geschaut und wirklich mit mir die Palette meiner Fähigkeiten gesammelt. Und da kamen dann plötzlich doch Ideen auf, Möglichkeiten lugten hervor … Etwas zu finden, das zu mir passt, gab mir sehr Auftrieb.
Ich hoffe, dass dieser Beitrag ein paar Ideen gibt und Möglichkeiten aufzeigt. Und ich würde mich freuen über regen Austausch, Erfahrungsberichte und weitere Ideen, die vielleicht anderen helfen, eine Perspektive zu finden.
Du kannst dich natürlich auch gern weiter einlesen, in meinem Erfahrungsbericht, darüber, wie es anfing oder dir die Liste der Symptome anschauen :).
- https://journals.lww.com/ajpmr/abstract/1994/04000/a_profile_of_fibromyalgia_in_occupational.7.aspx ↩︎
- https://ratgeber-umschulung.de/umschulungsgruende/fibromyalgie/ ↩︎

Hier schreibt Margit als Betroffene
Auf dieser Webseite gebe ich meine persönlichen Erfahrungen mit Diagnose, Symptomen, Behandlung von Burnout und Fibromyalgie wieder. Ich erzähle von meinem Leben mit chronischen Schmerzen und Erschöpfung und von meinen Fragen, Gedanken und Nachforschungen. Ich versuche alles nachzuprüfen und mit Quellen zu belegen. Aber ich bin nur eine (wissensdurstige) Betroffene, keine Ärztin oder Therapeutin. Wende dich bei medizinischen oder psychischen Problemen immer an eine Fachperson!