Fibromyalgie-Schleife in lila und Instrumente zur Diagnostik und als Erkennungszeichen für Betroffene.

Fibromyalgie – eine Betroffene berichtet über ihre Erfahrungen

Vom Leben im Schmerzstillstand

Hey, ich bin Margit. Als ich das hier schreibe, bin ich 38 Jahre alt und habe die Diagnose seit ca. anderthalb Jahren. Der Austausch unter uns Fibros ist sehr wichtig, deshalb möchte ich als Fibromyalgie-Betroffene im Folgenden von meinen Erfahrungen berichten. Davon, wie diese rätselhafte Schmerzkrankheit zu mir kam – wie sie sich für mich anfühlt und wie ich mit ihr lebe.

Fibromyalgie – ein ausführlicher Erfahrungsbericht

Eine Schmerzkrake. Mit ihren vielen Armen breitet sie sich auf immer mehr Bereiche des Lebens, nimmt langsam immer mehr von einem Besitz. Ein Schmerzgespenst mit tausend Gesichtern. Ein Schmerzkonzert, das immer tönt, das einen zermürbt, weil Stille nie vorkommt und alles Misstöne sind. Fibromyalgie ist so Vieles. Eine chronische Krankheit, deren Hintergründe nicht klar sind  – und bei deren Behandlung Betroffene häufig im Wesentlichen auf sich allein gestellt sind. Umso dringender, davon zu erzählen.

Wie kam diese Krankheit zu mir?

Bei mir entwickelte sich dieser Zustand, der als Fibromyalgie diagnostiziert wurde, aus einem Burnout heraus. Ich war seit etwas mehr als einem Jahr krankgeschrieben und kämpfte mit typischen Burnout-Symptomen, wobei Schmerzen und körperliche Probleme neben der krassen Erschöpfung und inneren Leere im Vordergrund standen. Allmählich ging es mir besser. Aber anstatt langsam herauszuwachsen, überlastete ich mich an diesem Punkt erneut – bei unserem Umzug.

Aus Burnout mit punktuellen Schmerzen wird ein streikender Körper

Als der Umzug über die Bühne war, kehrten überwunden geglaubte Schmerzphänomene zurück: Nacken-, Kopf- und Kieferschmerzen, die mit einer starken Benommenheit und Konzentrationsschwierigkeiten einhergingen. Und es kamen neue Probleme hinzu: Nach dem Umzug meldete sich – wenig überraschend – der Rücken. Ich hatte den ersten Hexenschuss meines Leben und konnte für ein paar Tage wirklich kaum kriechen. Kurze Zeit später beschwerte sich ein alter Bekannter: mein großer Zeh am rechten Fuß. Nachdem ich also wegen Rücken kaum kriechen konnte, war ich als Nächstes zum Humpeln gezwungen.

Nur noch Feuerwehr spielen – nicht mehr in der Lage, die Brände zu löschen

Aus zwei Schmerzbereichen wurden drei. Ich war zunächst nicht allzu sehr beunruhigt: dass man nach dem Umzug Rückenprobleme haben kann, erschien mir normal. Die Muskeln würden sich wieder erholen, wenn ich ihnen Gutes tun würde: Übungen machen, sie in die heiße Badewanne verfrachten – und Triggerpunkte behandeln. Leider kam ich allerdings nicht mehr hinterher. Ich sprang wie im Dreieck zwischen den unterschiedlichen Schmerzbereichen, und anders als vorher kam ich nicht mehr hinterher.

Was vom Umzug ausgelöst schien, ging nie wieder weg

Zwar schaffte ich es, erneute Hexenschüsse – also die quasi fast völlige Bewegungsunfähigkeit – zu vermeiden, aber Rückenschmerzen machten mir fortan insbesondere beim Gehen und Stehen zu schaffen. Ich konnte eigentlich nicht länger als anfangs noch 45, später 30 Minuten auf meinen Beinen sein, bis alles blockierte.

Es dauerte viele Monate – und brauchte Feedback von Außen – bis ich erkannte bzw. erkennen musste – dass dies meine neue Realität war: Die Unfähigkeit zum Stehen und Gehen. Schmerzen und Einschränkungen an gleich mehreren Stellen. Dass vor allem dieser Rücken mich zwang, ein völlig anderes Leben zu leben und auf enorm viel zu verzichten.

Ich habe einen extra Artikel darüber geschrieben, wenn du wissen möchtest, wie es anfing mit der Fibromyalgie.

Fibromyalgie: eine Betroffene berichtet von ihren Erfahrungen aus dem Schmerzlabyrinth. Hier zwei Füße stehend auf einem roten Labyrinth.

Schmerz-Stillstand

Eigentlich war das, was da vor sich ging, viel tiefgreifender. Es war nicht nur Schmerz – die Erschöpfung war wieder zurück. Ich kämpfte mit neuen Phänomenen wie der völligen Unfähigkeit, mit Stress umzugehen. War ich im Burnout über Monate morgens nicht aus dem Bett gekommen wegen einer unendlichen Schwere, so kam jetzt eine enorme Steifigkeit am Morgen dazu. Ich kletterte aus dem Bett wie ein Stock Holz; alles tat weh und ich brauchte mindestens 30 Minuten, um irgendwie in die Gänge zu kommen. Mein Körper wurde mir immer fremder mit all den Phänomenen, die er hervorrief.

Das Leben kommt zum Stehen – im Schmerz

Mein Leben schränkte sich ein. Tausend selbstverständliche Dinge waren nicht mehr möglich: alles, was mit Gehen und Stehen zu tun hat. Wandern, Städtebummel, Museumsbesuche. Mein Radius wurde sehr klein. Ich war mir selbst fremd – ich reagierte nicht so, wie ich das von mir kannte. Statt vertrauensvoll und zuversichtlich war ich schreckhaft und ängstlich.

Ich sah hilflos dabei zu, wie die Schmerzkrake immer mehr Besitz von mir nahm: nach dem unteren auch den oberen Rücken, dann den Arm, schließlich die Beine … Ich wurde immer steifer wurde am Morgen, und brauchte immer länger, um in die Gänge zu kommen. Alle meine beruflichen Perspektiven zerronnen. Ich wurde ein anderer Mensch. Verlor den Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden, die mich nicht mehr kannten, verstanden, fühlte mich wie zurückgelassen, einsam an einem Ort, an dem alles stillstand.  

Herausfinden – was ist mit mir los?

Zum Stillstand in meinem eigenen Leben kam der Stillstand im System. Meine Krankschreibung lief aus. Arbeitsfähig war ich nicht. Was mit mir los war, wusste ich auch nicht. Ich wollte dringend etwas tun, brauchte eine Perspektive, einen Weg, den ich einschlagen konnte. Mir wurde von verschiedenen Seiten eine Reha empfohlen – aber dafür war eine Diagnose vonnöten. Die ich nicht hatte.

Die Suche nach der Diagnose, von der alles abhing, wurde im deutschen Gesundheitssystem zu einer echten Odyssee. Neurologe, Rheumatologe … hatten keine Termine. Im MRT wurde (nach langem Warten) nur die Hälfte der Wirbelsäule geröntgt – pro Quartal wird immer nur ein Segment von der Kasse bezahlt …

Der Gipfel an Ignoranz – beim Rheumatologen

Als ich die Arzttermine endlich hatte, traf ich auf die ignorantesten Ärzte (ja, männlich), die man sich vorstellen konnte. Auf der Überweisung stand Rückenschmerzen, aber den Rücken schaute sich der Rheumatologe gar nicht erst an. Auf der Überweisung stand „Verdacht auf Fibromyalgie“, aber da winkte der Arztsaurier nur heftig ab: „Das gibt es nicht, das ist was Psychisches“. Damit schob er mich vor die Tür. Ich war fassungslos, völlig zerstört.

Noch ein Arztsaurier – beim Neurologen

Der Neurologe war mindestens ebenso schlimm. Auch der – als Schmerzspezialist zertifiziert – interessierte sich 0 dafür, was wo wie wehtat. Stattdessen faltete er die Hände und begann, mir einen Vortrag über meinen gestörten Hirnstoffwechsel zu halten. Ich sei schlicht depressiv. Ich schnappte nach Luft. Noch so einer, an dem die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte glatt vorbeigegangen sind! Der Scheißkerl kann von Glück sagen, dass ich meine letzte Restvernunft zusammennahm und ihn schlicht darauf hinwies, dass seine Kollegin, meine Hausärztin, konkrete Aufträge an ihn erteilt hätte. So erledigte er zumindest das Grundlegende (EEG usw.) und befreite mich von der Angst, zum Beispiel Multiple Sklerose zu haben.

Fibromyalgie Erfahrungen: Ärzte hören nicht zu. Hier zwei Ärzte, er eine sagt "Sie sind depressiv", der Andere reicht Antidepressiva.
Leider sind die Erfahrungen mit Ärzten bei für Fibromyalgie nicht immer die besten …

Schließlich ärztliche Kompetenz und die Diagnose an der Uniklinik

An der Uniklinik hatte ich schließlich Glück. In der Rheumatologie empfing mich eine sehr freundliche Ärztin. Sie schaute auf alles, nahm erneut Blut ab und ließ mich Fragebögen ausfüllen. Und da zeigte sich, es ist eigentlich total einfach: Rheuma, Multiple Sklerose fiel raus, und der Fragebogen sagte ganz klar: Fibromyalgie. Chronisches Schmerzsyndrom. Aha. Da also war es. Das Wort schwarz auf weiß, das ich brauchte, so dringend; das Wort, von dem alles abhing. Die Diagnose hatte für mich den Moment keinen Schrecken, da sie für mich nur ein Name war für das, was ich ja sowieso hatte. Welche Erleichterung plötzlich – die Angst löst sich auf.

Meine Erfahrungen mit den vielen Fibromyalgie Symptomen

Zu Anfang kämpfte ich insbesondere mit Schmerzen in definierten Schmerzbereichen: Kopf/Nacken/Kiefer, Fuß und Rücken. Außerdem mit leichtem Schlaf und einer ausgeprägten Morgensteifigkeit. Mit Erschöpfung und einer extremen Stress-Intoleranz. Ich konnte überhaupt nicht mit belastenden Situationen umgehen.

Mit der Zeit kamen dann immer mehr Schmerzbereiche hinzu. Die Erschöpfung und Stimmung besserten sich, ich wurde stabiler, während ich damit umgehen lernte – aber die Schmerzen sind geblieben. Haben sich ausgebreitet. Sind in ihren Grenzen verschwommen.      

Lila in allen Farben: Symptomfächer nach anderthalb Jahren Fibromyalgie

  • Rückenschmerzen – eigentlich immer irgendwie. Mal stärker, mal schwächer. Mal stärker oben, mal mittig, mal unten.
  • Häufig Kopf-,Nacken-, Kiefer- und Augenschmerzen. Was eine große Herausforderung beim Arbeiten ist.
  • Weitere Schmerzen und „Körperphänomene“. Das lebhafte „Mal hier, mal da“ der Fibromyalgie: Drei Tage im Fuß. Dann plötzlich im Bein. Als nächstes schreit wieder der Arm. Und dann mal das Knie ..  
  • „Magen“, Unwohlsein und Schwierigkeiten beim Essen. Mir schlägt eher alles auf den Magen. Die Phänomene sind vielfältig: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Druck auf dem Magen. Bauchschmerzen und-stechen.
  • Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper. Irgendwie werde ich immer unbeholfener. Steifer. Ich stoße irgendwo an, lasse was fallen. Als ob die Koordination allmählich verlorengeht, sich die Feinmotorik zurückzieht.
  • Elend am Morgen. Der Tag beginnt häufig schrecklich. Ich bin sehr froh, derzeit nicht mit nächtlichen Schmerzen zu kämpfen – aber ich stehe meist mit Schmerzen auf. Ich bin steif, habe Schwierigkeiten mit dem Essen und Denken.
  • Erschöpfung. Wie gesagt, das ist meist nicht so präsent, wie es mal war – kehrt doch aber immer mal wieder. Völlig leergesaugt sein nach zwei Stunden Arbeit oder eigentlich schon am Morgen …
  • Atemprobleme. Es ist oft sehr eng im Brustkorb, im Bauch und manchmal im Hals – ich weiß kaum, wo ich hinatmen soll.
  • „Kopf nicht zu gebrauchen“. Ja, diese Tage, wo im Oberstübchen einfach nichts geht. Weder Denken noch Koordinieren, Merken noch sprechen.
  • „Ganz schlechter Tag.“ Ungefähr einmal die Woche wache ich morgens auf und denke nur, oh gott. Ich bin noch steifer als sonst, brauche noch länger. Der Bauch ist vollkommen zu. Denken geht nicht. Ich bin total unkoordiniert, und das Gefühl sit einfach nur: oh großes Elend.
  • Leichter Schlaf. Früher hatte ich die robusteste Nachtruhe. Jetzt schlafe ich meistens ganz gut – aber sobald eine Aufregung in mein Leben tritt, weiß ich, es wird mit dem Ein- und Durchschlafen schwer.
  • Schreckhaftigkeit, Geräuschempfindlichkeit, Lichtempfindlchkeit.
  • Geringe Belastbarkeit. Insbesondere soziale Interaktion kostet mich mächtig Kraft. Ein anregendes Gespräch mit irgendwem im Café? Danach bin ich erstmal platt.
  • Schwäche. Einfach keine Kraft in den Muskeln. Insbesondere Arme und Hände ermüden sehr schnell. Omas alte Metallschere empfinde ich nach dreimal Schneiden als wahnsinnig schwer.
  • Persönlichkeitsveränderung. Das ist vielleicht das Belastendste für mich – ich bin nicht mehr die, die ich mal war. Aus einer neugierigen, lebenshungrigen und vertrauensvollen Weltreisenden ist eine Stubenhockerin geworden, die sich schon an einer kleinen Kreuzung erschreckt. Das Ich ist wie überwachsen von dieser Krake, von ihr zerdrückt.
Fibromyalgie - mein Bericht als Betroffen: es fühlt sich wie ein Schmerzgespenst an.

Die Symptome können enorm vielfältig sein. Ich habe eine Zusammenstellung angefangen, um möglichst alles zu sammeln. Du findest sie hier: Fibromyalgie Symptome Liste.

Als Betroffene nach den Ursachen suchen

Ich sehe die Fibromyalgie bei mir als aus dem Burnout entstanden. Es fühlt sich an, als habe ich mich von diesem krassen Einbruch – dieser totalen körperlich-seelischen Erschöpfung als Folge von chronischem Stress – nie wieder erholt. Burnout und Fibromyalgie waren sich ähnlich – mit anderem Schwerpunkt. Aus einer temporären Erschöpfung begleitet von Schmerzen wurde ein Stillstand in Schmerz und Erschöpfung.

Überlastung auf mehreren Ebenen während der Burnout-Genesung

Der eigentliche Auslöser war auch meiner Sicht die erneute starke Stressbelastung an einer vulnerablen Stelle. Ich fiel zurück in Hektik und Stress. Dadurch habe ich das, was ich aufgebaut hatte – die Erholung von chronischem Stress im Burnout – gleich wieder zerschossen. Meine Stresstoleranz, die Fähigkeit, mit Stress umzugehen, war danach noch schlechter als vorher. Tatsächlich wird Fibromyalgie auch häufig als Stressfolgekrankheit bezeichnet.

Schmerzprobleme, die den Körper aus dem Gleichgewicht bringen

Der zweite akute Faktor scheint die körperliche Überlastung beim Schleppen von Kisten – zusammen mit schon früher bestehenden Verletzungen und Schmerzproblemen. Seit Jahren hatte ich bereits mit unerklärlichen Fußschmerzen zu tun. Ich lese dies in vielen Betroffenengeschichten – erst war es das Knie über Jahre. Dann kam dieses, und schließlich jenes hinzu – und am Ende tat es überall weh.

Meine Vermutung ist, dass sich durch langwierige Verletzungen – oder Folgen von Operationen – neue Probleme im Körper ergeben. Denn wir nehmen automatisch eine Schonhaltung ein – die wiederum Probleme an anderen Stellen auslöst. Außerdem sind die Schmerzprobleme selbst bereits ein Hinweis auf bestehende Ungleichgewichte im Körper.

Anspannung. Widerstand. Angst – körperliche Reaktionen auf Seelisches

Viele Monate nach der Krankschreibung radelte ich einmal wieder über die eine bestimmte Brücke in Richtung Kita, und merkte, wie ich mich plötzlich völlig verkrampfte. Ich dachte nur, krass – ich sah auf einmal meinen Trigger und die Heftigkeit meiner Reaktion. Viele, viele Monate hatte ich mich an einen Ort gequält, auf den ich so reagierte.

Ich war voller Angst gewesen an jedem einzelnen Tag – Angst vor dem Chaos, davor, dass etwas Schlimmes passiert – und war in unfassbare Anspannung gegangen. Hochgezogene Schultern, Nackenverspannung, und das Zusammenbeißen der Zähne. Über diesen Weg – das Pressen, die Schutzhaltung – kamen glaube ich Kopf-, Nacken- und Kieferschmerzen in mich hinein, haben sich körperlich und seelisch Angst und Anspannung verstetigt.

Und wahrscheinlich noch vieles Frühere und Andere …

Wenn man noch genauer hinschaut und herauszufinden versucht, wie alles anfing, findet man schon viel früher Schmerzen in meiner Geschichte. Kopfschmerzen schon im Jugendalter, vielleicht sogar schon als Kind. Atemprobleme, Stechen im Rücken, als ich studierte. Migräne kam dann mit Mitte 20 dazu …

Wie ich mit Fibromyalgie lebe

Es hat sehr lange gedauert, bis ich akzeptieren und mich „einrichten“ konnte. Viele Monate noch machte ich Pläne, die völlig vorbeigingen an der Realität, in der ich mich befand. Viele Monate vergingen, bis ich begriff, dass dies hier – anders als ein Burnout – nicht mehr weggehen würde. Dass ich in einer Falle saß, und mein Wille nicht mehr über mein Leben bestimmte.

Die Realität des Körpergefängnis

Konservierte Erschöpfung. Verfestigter Schmerz. Eine Realität ohne Entrinnen. Ich fühlte mich wie gefangen. Einige Zeit nach dem Umzug kam ich an einen Punkt, an dem es stark aufwärts ging mit meinem seelischen Befinden. Die Erschöpfung besserte sich stark, die Stimmung wurde besser, endlich angekommen in einem schönen Zuhause, in einer grünen Umgebung.

Aber da war dieser Körper. Dieser zermürbte, schmerzende, steif gewordene Körper. Den man abends ins Bett legte für 8 Stunden Schlaf, der aber morgens erwachte, als hätte er schwer arbeiten müssen. Ein Körper, der keine Erholung mehr fand. Da war dieser Schmerz, der mich festhielt, der mich hinderte an dem, was ich tun wollte und von dem ich wusste, es würde mir helfen. Ich konnte nicht gehen wegen dem Rücken. Nicht schlafen wegen dem Schmerz in der Hüfte. Nicht denken wegen dem Nebel im Kopf. Der Körper steckte im Schmerzstillstand fest – und mit ihm die Seele.

Fibromyalgie: Schmerzen überall als Hauptsymptom. Hier als Bilder mit Schmerzpunkten an Nacken, Kiefer, Rücken, Fuß und Bauch.
Typische Fibromyalgie-Erfahrung: An immer mehr Stellen Schmerzen und Beschwerden.

Fibro – Abschiednehmen von sich selbst

Ich fiel sehr tief. Ich war jetzt eine Person, die mir selbst total fremd war – überwachsen von Empfindlichkeit, Schrecken und Schmerz. Welch ein Kontrast zu dem, was ich und alle meine Freunde und Familie kannten von mir. Ich war allein auf Weltreisen gewesen! Meine Füße und mein Wille hatten mich überall hingetragen. Ich hatte im Herzen Berlins gelebt, und jeden Aspekt des Trubels genossen. Ich saß in den lautesten Cafés und ging auf die wildesten Parties.

Margit, das war diese Person, die nichts aufhalten konnte und die das Leben liebte, genoss. Und jetzt kam sie nicht einmal von ihrer Haustür bis zu ihrem Lieblingsort am Kanal ohne Ächzen. Sie schreckte bei jedem lauten Tönchen zusammen.

Erst Akzeptanz, dann Auftrieb durch eine berufliche Perspektive

Als dann die Akzeptanz langsam kam – dass der „Schmerzstillstand“ nun die Realität ist, mit der ich lebe – wurde es leichter. Als ich endlich mein Leben anpasste an das, wo ich jetzt stand.

Dann war es wichtig für mich, wieder eine Perspektive zu finden. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit einem Coaching von der Arbeitsagentur Ideen für mein Berufsleben entwickeln durfte, die meinen Einschränkungen gerecht wurde. Und die aber, ganz wichtig, auch auf meine Fähigkeiten und Interessen aufbaute. Ich musste hart kämpfen, um den Weg freizumachen. Jobcenter, Begutachtung, Warten auf MRT-Termine, Berufspsychologinnen und eine insgesamt verzögernde, sich sperrende Bürokratie machen es einem noch zusätzlich schwer. Als ich endlich den Weg einschlagen konnte, den ich mir wünschte, brachte das dringend benötigte Zuversicht zurück in mein Leben.

Meine Erfahrung: Arbeiten mit Fibro

Heute arbeite ich zuhause am Computer. Sitzen ist zwar auch nicht ideal – aber derzeit besser als alles andere. Ich habe keinerlei Zeitdruck, keine Hektik am Morgen. Ich bin selbständig und dadurch verhältnismäßig flexibel. Ich kann meine Jogginghosen anlassen :).

Schlechte Tage überstehen

Morgens ist es oft schwierig. Es gibt Tage, an denen ich wirklich kämpfe, wo ich einfach zerschlagen bin, nicht denken kann oder das Sitzen mir schwerfällt. Aber es geht irgendwie, da ich nur eine begrenzte Anzahl an Stunden arbeite. Die freie Zeiteinteilung hilft mir enorm. Wenn mir alles weh tut, stehe ich auf und mache Übungen, atme, massiere Triggerpunkte an schmerzenden Zonen. Wenn der Kopf oder die Augen weh tun – mit Augensymptomen kämpfe ich häufig – muss ich nicht zwangsweise durchziehen.

Schonenden Arbeitsplatz einrichten

Ich habe außerdem nach und nach meinen Arbeitsplatz umgestaltet. Noch in der Weiterbildung kämpfte ich mit starken Schmerzen in rechtem Arm und rechter Hand, so dass ich diese beiden Gerätschaften kaum einsetzen konnte. Diese Schmerzen sind nicht weg, aber mit ergonomischer Maus und Tastatur (und Triggerpunkt-Behandlung) bleiben sie zumindest meistens erträglich. Extrem wichtig ist auch ein großer Monitor – bloß nicht zum Laptop runterbeugen und auf winzige Bildschirme starren.

Arbeiten mit Fibromyalgie kann sich je nach Schwere der Erkrankung und Hauptsymptomen sehr schwierig gestalten für uns. In einem weiteren Artikel habe ich mir überlegt, welche Jobs geeignet sind.

Meine persönlichen Erfahrungen zur Frage: Was hilft bei Fibromyalgie?

Fibromyalgie - ich als Betroffene berichte von meinen Erfahrungen, was hilft. Hier zu sehen: Sonne, Laufen, Wärmflasche, Badewanne, Radfahren, Ausruhen, gesunde Ernährung.
Dinge, die mir als Betroffene helfen: Sonne, Natur, Ernährung, Bewegung, Entspannung und Wärme.

Unterschiedlichen Menschen helfen unterschiedliche Dinge. Empfohlen werden bei Fibro in jedem Falle Bewegung, das Erlernen und Anwenden von Entspannungstechniken, ganz allgemein Stressmanagement. Schlafhygiene und das Vermeiden von Überforderung. Und dann vor allem: Das Finden der individuellen Faktoren, die die Symptome verbessern oder verschlechtern. Das hier ist mein Programm:

Schmerzen behandeln

  • Wärme. Extrem viel Wärme. In allen Formen: heißes Baden, heißes Duschen, Wärmflasche, Heizdecke, Fango.
  • Kälte vermeiden. Ich habe alles aus meinem Kleiderschrank verbannt, was nicht wirklich wärmt, Lücken für Zugluft aufweist.
  • Triggerpunkt-Behandlung. Mein Fibro-Körper befindet sich insgesamt in Verspannung. Viele Muskeln sind verhärtet, verkürzt. Die Behandlung von Triggerpunkten hilft mir, Schmerzen herabzusetzen.
  • Schmerzmedikation bei Bedarf. In Abstimmung mit meiner behandelnden Rheumatologin.
  • CBD bei Bedarf.
  • Pohltherapie. Die Sensomotorische Körpertherapie nach Dr. Pohl – kurz Pohltherapie, behandelt sowohl verspannte Muskeln als auch verhärtete Faszien; außerdem werden Ursachen analysiert und viele Tipps mit nach Hause gegeben.
  • Bewusstsein für innere – und körperliche Anspannung entwickeln – und diese bewusst abbauen. Stärkeres Pressen, mehr Schultern-Hochziehen, ein schnell pochendes Herz – wenn ich diese Zeichen für mehr Anspannung wahrnehme, versuche ich, bewusst gegenzuwirken. 
  • Neurogenes Zittern. Kontrolliertes Zittern, um motorische Unruhe abzubauen – anschließend kann ich leichter runterkommen.
  • Umgang mit Emotionen und Anspannung. Mein Weg, um Dinge zu verarbeiten und mit Schwierigem umzugehen, ist das Schreiben. Ich schreibe täglich, was mich beschäftigt. Laufe. Fahre Rad, um den Kopf freizukriegen.

Stressmanagement und bewusste Entspannung

  • Atemübungen – hier ist kohärentes Atmen mein Mittel der Wahl. Dies führt mich zu tiefer Entspannung und einem Gefühl von Regeneration.
  • Übungen zur Muskelentspannung. Ich hasse alles, was mit Dehnen zu tun hat – bei mir hat es auch die Schmerzen verstärkt. Was mir hilft, sind die Sensomotorischen Übungen der Pohltherapie – das ist ein sehr sanfter Weg zum Lösen verspannter Muskultur.

Ernährung und Lebensstil

  • Kein Kaffee. Ich liebe Kaffee. Aber was soll’s – er tut mir nicht gut. Kaffee treibt den Cortisol-Spiegel hoch, zwingt den Körper zum Mobilisieren von Reserven, die er nicht hat und lässt mich innerlich unruhig werden.  
  • Ernährungsumstellung – weniger Zucker, mehr Wertvolles. Ich habe festgestellt, dass es mir enorm viel besser geht, wenn ich meinen Blutzuckerspiegel ausgeglichen halte und Schwankungen vermeide. Außerdem achte ich mehr darauf, welche Nährstoffe ich wie am besten aufnehmen kann und kombiniere entsprechend.
  • Regelmäßige Tagesabläufe. Immer zu einer ähnlichen Uhrzeit ins Bett. Möglichst nicht später als 23 Uhr schlafen.
  • Vitamin D
  • Pausen und Erholung, wenn nötig. Eigentlich das, was man so als Pacing bezeichnet.

Bewegung, Natur & schöne Erlebnisse

  • Draußensein. Natur erleben.
  • Leichte Bewegung – Radfahren, Laufen, Tanzen. Könnte ich spazieren, würd ich spazieren – lange und viel. Schwimmen hab ich versucht, aber selbst das Kinderbecken mit 30° ist mir noch zu kalt.
  • Positive Erlebnisse. Alles, was schön ist: Ein Moment auf dem Balkon. Ein bisschen Kuscheln am Morgen. Eine angenehme, freundliche Serie schauen.

Fazit: Mein Leben mit Fibromyalgie

Ich bin mir immer noch selber entfremdet – aber doch eingerichtet in diesem neuen, anderen Leben. Die meiste Zeit geht es einigermaßen. Ich versuche, Schmerz und Erschöpfung möglichst weit in den Hintergrund zu verschieben und dennoch auf mich zu achten. Auch im Hintergrund sind die Schmerzgeräusche noch laut. Sie zersägen die Seele, denn man hat niemals ganz frei, kann niemals gänzlich unbeschwert sein.

Immer wieder schwillt das Hintergrundrauschen dann doch zum Crescendo und rückt sich an die vorderste Stelle. Zum Beispiel mal wieder mit einem Schub. Wann das so sein wird, weiß man im Vorhinein nicht. Die Schmerzkrake ist streng und verzeiht wenig. Das ist das Körpergefängnis. Einmal voller Übermut eine Säge in die Hand genommen, ein halbes Stöckchen zersägt, das Limit gerissen – abends zittern Arme und Schultern vor Schwäche.

Die schwerste und wichtigste Aufgabe ist, die Lebensfreude unter alledem nicht verschütt gehen zu lassen. Im Moment gelingt es mir meistens. Noch immer hoffe ich, dass ich das, was mich überwachsen hat, zumindest ein Stück weiter wieder loswerden, die Schmerzkrake abschütteln kann – und mich selbst wiederfinde.

Welche Erfahrungen machst du in deinem Leben mit Fibromyalgie? Magst du davon erzählen?

Hier schreibt Margit als Betroffene

Auf dieser Webseite gebe ich meine persönlichen Erfahrungen mit Diagnose, Symptomen, Behandlung von Burnout und Fibromyalgie wieder. Ich erzähle von meinem Leben mit chronischen Schmerzen und Erschöpfung und von meinen Fragen, Gedanken und Nachforschungen. Ich versuche alles nachzuprüfen und mit Quellen zu belegen. Aber ich bin nur eine (wissensdurstige) Betroffene, keine Ärztin oder Therapeutin. Wende dich bei medizinischen oder psychischen Problemen immer an eine Fachperson!

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5 Kommentare zu „Fibromyalgie Erfahrungen“

  1. In dem Beitrag finde ich mich mit 20 Jahren Fibro total wieder. Die sprachlichen Bilder sind hervorragend. Das Wichtigste für mich ist meine Selbsthilfegruppe.

    1. Hey Karin, das freut mich sehr, dass du den Beitrag gefunden hast und er dich anspricht. Mit 20 Jahren bist du ja schon echt lange dabei … Längst angekommen und eingerichtet in wechselvollen Leben mit dieser Krankheit, während ich ja noch ein Neuling bin, sozusagen. Und cool, dass du in der Selbsthilfegruppe einen Anker gefunden hast! Für mich ist das Wichtigste Wärme, würde ich derzeit sagen ;). Wärmflasche, Badewanne, heißes Duschen … Wärme ist meine Feuerwehr, sozusagen. Aber ja, bei den vielen seltsamen Symptomen, mit denen man zu kämpfen hat, ist es gut, andere Betroffene fragen zu können oder andere Erfahrungen zum Vergleichen zu haben: Hast du das auch? Wie gehst du damit um? Deshalb auch das Schreiben. Ich wünsche dir Alles Gute!

      1. Liebe Margit, habe heute deine Webseite gefunden. Danke dafür.
        Das Lesen ist für mich sehr, sehr hilfreich. Hab die Diagnose Fibromyalgie seit ca 4 Jahren und meine Symptomatik wird immer schlimmer. Manchmal ist es so arg dass ich Angst habe schwerkrank zu sein und gar nicht mehr einordnen kann, ist das noch Fibromyalgie? Sehr belastend eine Krankheit zu haben, die keine messbaren Parameter hat.
        Insofern ist gerade die detaillierte Liste von Symptomen so gut.
        Ich glaub ich habe alle!
        Bei mir sind es auch Wärme und Ruhe die am Besten helfen. Mit Psychopharmaka komme ich gar nicht klar. Leider gibt es bei mir in der Nähe keine Selbsthilfegruppe. Ich hab also wenig Gelegenheiten über meine Erkrankung zu sprechen. Meine Familie und Freunde sind zwar verständnissvoll, aber ich möchte sie nicht mit Details belasten.
        Liebe Grüße von Ruth

  2. Liebe Margit, ich habe deine Seite gelesen. Auch wenn die Diagnose eine Diagnose ist und erstmal erschüttert und verunsichert hat mich das Lesen hier sehr entlastet! Vielen Dank, dass du deine Erfahrungen so teilst!
    Ich habe auch eine unglaubliche Odyssee hinter mir und nun die Diagnose bekommen. Und die Erleichterung überwiegt, dass ich scheinbar nicht einfach nur überempfindlich, hochsensibel oder ausgebrannt bin. Wie viele Ärzte mir schon „einfach ein bisschen Entspannung“ verordnet haben!
    Meine Schmerzen sind (außer im Rücken und Sternum) nicht langanhaltend. Also ein einschießender Schmerz dauert manchmal nur Sekunden um dann an einer anderen Stelle aufzutauchen. Ich konnte in Befragungen also nie richtig sagen, dass ich länger als 3 Monate Schmerzen an einer Stelle habe. Ich habe seit Jahren schmerzen an den unterschiedlichsten Stellen und wurde so nicht ernst genommen. Die Rheumatologin hat beim Wort Fibro auch nur abfällig die Augen verdreht.
    Ich fühle also sehr was du hier schreibst.

    Liebe Grüße

    1. Hey, das klingt auch sehr speziell – mal eine andere Variante des Fibro-Chamäleons mit den tausend Gesichtern. Bei mir ist es dieser Mix aus Schmerzen, die fast immer da sind, die kommen und gehen, dann welchen die mal nur ne Woche da sind – aber auch einschießenden Schmerzen z.B. im Fuß. Sowas hab ich schon, aber nicht dominierend. Ich kann mir vorstellen, dass deine Odyssee mit dieser speziellen Variante noch langwieriger war! Ich freue mich, dass dir zumindest das Lesen geholfen hat, und wünsche dir alles Gute.
      Margit

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